Krisenzeiten
Im „Spiegel“ stand vor einiger Zeit ein außergewöhnlicher Text. Er stammt von Alexander Neubacher und heißt „Wir Coronaversager“. Der erste Satz lautet: „Inzwischen wissen wir, dass viele Pandemiemaßnahmen unsinnig, überzogen, rechtswidrig waren“. Im Nachhinein sei es erschreckend, schrieb Alexander Neubacher, wie leicht sich in Deutschland viele Freiheitsrechte suspendieren ließen. Vielleicht sei Freiheit – und damit füge ich hinzu, Demokratie – für viele Deutsche ja nur ein Schönwetterkonzept. Zu wenige hätten zum Beispiel widersprochen, als die Schulen geschlossen wurden und diese falschen Maßnahmen immer wieder verlängert wurden, kein Bundesverfassungsgericht, keine Akademie der Wissenschaften, kein Ethikrat. Keine Presse hat aufbegehrt, weil alte Menschen einsam sterben mussten. Keine Kirche hat sich gewehrt, als Gottesdienste abgesagt wurden und jeder für sich allein zu Hause, ohne die Stärkung der Gemeinschaft, seine Lasten zu tragen hatte. Auch die Anwaltschaft hat nicht aufbegehrt. Nur einzelne Anwälte. Denn wer sich wehrte, wurde diffamiert als „Querdenker“, obwohl quer-denken oft richtige Wege zeigt.
Seit Corona ist nichts besser geworden. Wir bemerken, wenn wir aufmerksam sind, einen weltweiten Wirtschaftskrieg. Wir sehen vor unseren Augen einen Krieg in Europa, der leicht zum Feuer für die Welt werden könnte. Das ruft in uns Ängste hervor. Angst lähmt. Es ist die Voraussetzung dafür, dass wir einschneidende, entrechtende Maßnahmen dulden, wenn uns versprochen wird, dass damit alles besser gemacht werden kann. Dieser Wunsch lässt uns Einschränkungen ertragen. Aber Rechte sind in der Regel notwendige Freiheiten. Freiheiten sind die Voraussetzung dafür, dass wir kreativ und produktiv sein können. Freiheiten garantieren ein gutes Miteinander in der Gesellschaft und Ideenreichtum für die Wirtschaft und Lebensluft zur Lust am Leben. Freiheiten sind Rechte, die zu verteidigen die Aufgabe von Rechtsanwälten ist. Am 28.2. 1933 wurde der Berliner Rechtsanwalt Hans Litten von den Nationalsozialisten verhaftet und inhaftiert, weil er sich entschieden für die Freiheit eingesetzt hat. Das ist nun 80 Jahre her. Wir Anwälte vergessen dies nicht, da unser Verband in Berlin, der Deutsche Anwaltverein, in der LITTENSTRASSE angesiedelt ist. Wir bleiben sensibel: für Sie.
Weder wir noch Sie sollten vergessen, dass Recht und Freiheit immer neu erkämpft werden müssen und keinesfalls Selbstläufer sind. Recht und Freiheit durchzusetzen ist die einzige und vornehmste Aufgabe des Rechts-Anwalts. Lassen Sie uns wachsam bleiben, aus den Fehlern der fernen und nahen Vergangenheit lernen und die Zukunft angstfrei angehen.
Das wünsche ich mir und Ihnen
Ihr Hartmut Roth
Rechtsanwalt