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Verkehrsrecht
Der BGH hat in einer aktuellen Leitsatzentscheidung vom 08.10.2024 (VI ZR 250/22 - OLG Dresden, LG Chemnitz) zum Verdienstausfallschaden Stellung genommen. Der Geschädigte war von einem Fahrzeug in einer Waschstraße erfasst und eingeklemmt worden. Dadurch erlitt der Geschädigte eine tiefe, klaffende Riss- und Quetschwunde am linken Unterschenkel. Die volle Haftung der Beklagten war dem Grunde nach unstreitig. Der Geschädigte befand sich aufgrund des Unfalles in stationärer Behandlung und war längere Zeit arbeitsunfähig. Der Geschädigte verlangte dann mit seiner Klage die Differenz zwischen seinem letzten monatlichen Gehalt und dem Krankengeld sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen.
Der Bundesgerichtshof gab dem Geschädigten vollumfänglich recht, nachdem die untere Instanz Verdienstausfallschaden nur für einen kürzeren Zeitraum zugebilligt hatte. Hintergrund war, dass der Geschädigte objektiv früher wieder arbeitsfähig war, jedoch aufgrund ärztlicher Bescheinigung subjektiv davon ausging, noch weiter arbeitsunfähig zu sein. Denn auch bei berechtigtem Vertrauen auf die objektiv falsche Krankschreibung bestehe kein Schadensersatzanspruch, so die unteren Instanzen.
Der BGH sah dies anders und gab dem Geschädigten seinen Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls im vollen Zeitraum. Grundsätzlich konnte insoweit der Geschädigte einen unfallbedingten Schaden in Form entgangenen Verdienstes aus abhängiger Arbeit geltend machen. Gemäß § 842 BGB, § 11 StVG erstreckt sich die Verpflichtung zum Schadenersatz auf die Vermögensnachteile, die der Verletzte durch die Aufhebung oder Minderung seiner Erwerbstätigkeit erleidet. Der Erwerbsschaden umfasst alle wirtschaftlichen Beeinträchtigungen, die der Geschädigte erleidet, weil er seine Arbeitskraft verletzungs- bzw. unfallbedingt nicht verwerten kann, die also der Mangel der vollen Einsatzfähigkeit seiner Person mit sich bringt. Der BGH führt aus, dass für einen Anspruch auf Schadenersatz des Verdienstausfalles nach § 842 BGB, § 11 StVG es nicht zwingend erforderlich sei, dass objektiv eine verletzungsbedingte Einschränkung der Arbeitsfähigkeit vorgelegen hat. Ein Anspruch komme auch dann in Betracht, wenn der Geschädigte aufgrund der ärztlichen Beratung von einer solchen Einschränkung ausgehen musste. Der Geschädigte kann einen adäquat kausalen unfallbedingten zu ersetzenden Verdienstausfallschaden erleiden, wenn er berechtigterweise auf die ihm ärztlicherseits bescheinigte Arbeitsunfähigkeit vertraut hat und deshalb nicht zur Arbeit gegangen ist, auch wenn er objektiv arbeitsfähig gewesen war.
Mietrecht
Durch ein durch unsere Kanzlei selbst erstrittenes Urteil des Landgerichts Dresden, Az. 8 S 394/22 wurde die Klage eines Verpächters gegenüber einer Pächterin eines Kleingartens abgewiesen. Die Verpächterin hatte der Pächterin im Jahr 2021 außerordentlich fristlos und hilfsweise ordentlich gekündigt, da die Pächterin in der Kleingartenanlage vor ihrer Laube eine Terrasse gebaut hatte. Diese war ohne Genehmigung des Verpächters errichtet worden und insoweit könne wegen dieses Umstandes jederzeit gekündigt werden, so der Verpächter.
Das Amtsgericht Dresden hatte dem Verpächter recht gegeben und hatte die Pächterin zur Räumung und Herausgabe des Kleingartens verurteilt. Die von uns hiergegen vor dem Landgericht Dresden für die Pächterin eingelegte Berufung führte zur Aufhebung des Urteils des Amtsgericht Dresden und Abweisung der Klage auf Räumung und Herausgabe des Kleingartens.
Die Pächterin hatte bereits im Jahr 2014 die streitgegenständliche Terrasse angefangen zu bauen. Bei der Terrasse handelte es sich auch um eine, der Laube zuzurechnende bauliche Anlage, da diese aus Bauprodukten hergestellt ist. Das Landgericht wies darauf hin, dass dem Verpächter insoweit seit dem Jahr 2014 bekannt gewesen ist, dass die Terrasse seitens der Pächterin errichtet wurde. Mithin habe der Verpächter über 7 Jahre hinweg die Terrasse geduldet, ohne dass es zu einer Abmahnung oder Kündigung gekommen war. Dies führe zur Verwirkung der Kündigungsrechte.
Denn es liegt seit der Möglichkeit der Geltendmachung des Rechts und seiner tatsächlichen Ausübung eine längere Zeitspanne vor, während der Berechtigte untätig geblieben ist. Die erforderliche Dauer des Zeitablaufs richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Die Beweisaufnahme habe zu dem Ergebnis geführt, dass Mitarbeiter des Verpächters Kenntnis von der Terrasse hatten und dies bereits seit vielen Jahren.
Insoweit durfte die Pächterin nach dem gesamten Verhalten des Verpächters sich darauf einrichten, dass dieser auch in Zukunft den Baurechtsverstoß nicht geltend machen werde. Neben dem Zeitmoment traten besonders auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzu, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen. Wegen dieses geschaffenen Vertrauenstatbestands erscheint die Geltendmachung des Rechts im Jahr 2021 als eine mit Treu und Glauben unvereinbarte Härte. Der Verstoß gegen Treu und Glauben besteht nämlich in der verspäteten Geltendmachung des Anspruchs. Es wird insoweit eine Forderung verfolgt, obwohl der Vertragspartner bereits darauf vertrauen durfte, dass keine Forderungen mehr geltend gemacht werden und er sich auch hierauf eingerichtet hatte.
Familienrecht
Das Bundesverfassungsgericht hat durch Urteil des 1. Senats vom 09.04.2024 - 1 BvR 2017/21 - die Rechte von leiblichen Vätern gestärkt.
Der Beschwerdeführer war leiblicher Vater eines im Jahr 2020 nichtehelich geborenen Kindes. Mit der Mutter des Kindes führte der Beschwerdeführer eine Beziehung und lebte auch mit ihr in einem Haushalt. Nach der Trennung der Mutter von dem Beschwerdeführer hatte dieser weiterhin Umgang mit seinem Kind. Die Mutter ging dann eine neue Beziehung ein. Nachdem der Beschwerdeführer einen Antrag auf Feststellung seiner Vaterschaft gestellt hatte, erkannte der neue Partner der Mutter die Vaterschaft für das Kind mit ihrer Zustimmung an und ist so dessen rechtlicher Vater geworden.
Im Anfechtungsverfahren hat das Oberlandesgericht in zweiter Instanz den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung, er und nicht der rechtliche Vater sei Vater des Kindes, als unbegründet abgewiesen. Die Vaterschaftsanfechtung des Beschwerdeführers scheitere an der inzwischen bestehenden sozialfamiliären Beziehung des neuen Partners der Mutter und rechtlichen Vaters zu dem Kind. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer eine Verletzung seines in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Elternrechts. § 1600 Abs. 2 und 3 BGB in seiner Anwendung durch das Gericht mache es ihm als leiblichen Vater unmöglich, die rechtliche Vaterschaft für das Kind zu erlangen.
Der 1. Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte entschieden, dass die gesetzliche Regelung über das Recht des leiblichen Vaters, die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes für sein Kind anzufechten, mit dem Grundgesetz unvereinbar sei. Sie trägt dem Elterngrundrecht leiblicher Väter nicht hinreichend Rechnung. Diese gehören zu den Eltern im Sinne von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG und können sich auf das Elterngrundrecht ebenso wie die rechtlichen Eltern des Kindes berufen.
Das Elterngrundrecht bedarf einer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber. Es kann dabei abweichend vom bisherigen Recht im Bürgerlichen Gesetzbuch die rechtliche Elternschaft des leiblichen Vaters neben der Mutter und dem rechtlichen Vater vorsehen. Hält er dagegen an einer Beschränkung der rechtlichen Elternschaft auf 2 Elternteile fest, muss zu Gunsten des leiblichen Vaters ein hinreichend effektives Verfahren zur Verfügung stehen, dass ihm ermöglicht, anstelle des bisherigen rechtlichen Vaters selbst rechtlicher Vater seines Kindes zu werden. Letzterem genüge das bisherige Recht vor allem deshalb nicht, weil es nicht erlaubt, eine bestehende oder vormalige sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem leiblichen Vater sowie dessen bisherigen Bemühungen um die rechtliche Vaterschaft zu berücksichtigen. Die für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärte Regelung in § 1600 Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 BGB über die Vaterschaftsanfechtung bleibt bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 30.06.2025, in Kraft.
Quelle: Pressemitteilung Nr. 35/2024 des Bundesverfassungsgerichts vom 09.04.2024; www.Bundesverfassungsgericht.de
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Arbeitsrecht
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Kündigung im Rahmen einer Massenentlassung. Entscheidungserheblich ist, ob diese bei der Agentur für Arbeit ordnungsgemäß angezeigt wurde. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat durch Beschluss vom 14. Dezember 2023 – 6 AZR 157/22 (B) – nach § 45 Abs. 3 Satz 1 ArbGG bei dem Zweiten Senat des Bundesarbeitsgerichts angefragt, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhält, dass eine im Rahmen einer Massenentlassung erklärte Kündigung nichtig ist, wenn im Zeitpunkt ihres Zugangs keine oder eine fehlerhafte Anzeige nach § 17 Abs. 1 und Abs. 3 KSchG vorliegt.
Der Zweite Senat hat mit Beschluss vom 1. Februar 2024 – 2 AS 22/23 (A) – das Anfrageverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von erforderlichen Fragen zur Auslegung der den §§ 17 ff. KSchG zugrundeliegenden Richtlinie 98/59/EG des Rates vom 20. Juli 1998 zur Angleichung von Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen ersucht.
In Ergänzung dieser Vorlage hat der Sechste Senat mit Beschluss vom heutigen Tag den EuGH um die Auslegung des Unionsrechts u.a. dazu ersucht, ob der Zweck der Massenentlassungsanzeige erfüllt ist, wenn die Agentur für Arbeit eine fehlerhafte Massenentlassungsanzeige nicht beanstandet und sich damit als ausreichend informiert betrachtet.
Der genaue Wortlaut der Vorlagefragen ist nachzulesen auf www.bundesarbeitsgericht.de unter dem Menüpunkt „Sitzungsergebnisse“.
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. Mai 2024 – 6 AZR 152/22 (A) - Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 23.05.2024 (13/24)
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Mietrecht
In einem vom Landgericht Frankfurt/Oder bereits im Oktober 2023 entschiedenen Fall wurde dem Mieter das Recht zur fristlosen Kündigung zugesprochen, nachdem der Vermieter dem Mieter den vertragsgemäßen Gebrauch an der Mietsache ganz oder zum Teil nicht gewährt hatte. Hintergrund war, dass der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis zur Haltung eines Hundes begehrte. Auf die Aufforderung des Mieters, die Erlaubnis hierzu zu erteilen erwiderte der Vermieter, dass er die Zustimmung nicht erteilen werde und forderte Nachweise vom Mieter, welche dieser gar nicht beizubringen hatte. Hierauf kündigte der Mieter das Mietverhältnis fristlos. Der Vermieter trat der Kündigung entgegen.
Das Landgericht Frankfurt/Oder gab dem Mieter Recht und entschied, dass ein Grund zur fristlosen Kündigung vorliege. In dem Mietvertrag war Tierhaltung nicht generell verboten, sondern wurde unter den sogenannten Erlaubnisvorbehalt der Zustimmung des Vermieters gestellt. Dabei kann der Vermieter die Zustimmung nur versagen, wenn wegen der Größe der Wohnung und der Anzahl der Bewohner eine artgerechte Haltung des Tieres nicht gewährleistet wäre. Andererseits kann der Mieter auf das Tier unter gesundheitlich-psychischen und therapeutischen Gründen angewiesen sein oder der Vermieter bereits anderen Mietern eine Erlaubnis erteilt haben. Diese Interessenlage muss der Vermieter abwägen. Gewichtige Gründe, die gegen eine Tierhaltung sprechen könnten hat der Vermieter jedoch im Verfahren nicht angeführt. Insoweit hatte der Mieter das Recht, das Mietverhältnis über die Wohnung fristlos zu kündigen. Einer Abmahnung hat es nicht bedurft da diese keinen Erfolg versprochen hätte (LG Frankfurt/Oder, 16 S 25/23).
Weiterlesen … Kündigungsrecht des Mieters bei Verweigerung zur Tierhaltung des Vermieters
Verkehrsrecht
Fahrradfahrer halten sich nicht an Verkehrsregeln. Autofahrer sind grundsätzlich aggressiv. An Vorurteilen wie diesen mangelt es nicht zwischen Radlern und Motorisierten. Besonders unfriedlich wird die Koexistenz auf den Straßen, wenn Rad- und Autofahrer sich beim Überholen begegnen. Die Radler fühlen sich von zu dicht vorbeifahrenden PKW bedrängt – die Autofahrer schimpfen über Zweiradfahrer, die mitten auf der Straße fahren und den Verkehr blockieren.
Ob sie an einem Radfahrer vorbeiziehen oder geduldig hinter ihm herfahren, entscheiden viele Autofahrer nach Gefühl. Doch es gibt Vorschriften für den Überholvorgang. Mit der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO), die im April 2020 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber diese Vorschriften konkretisiert. § 5 StVO zufolge muss man sich beim Überholen so verhalten, dass eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist. Außerdem muss man genug Abstand zu den anderen Verkehrsteilnehmern einhalten.
Für Autofahrer bedeutet das: Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m.
Je nach Straßen- und Wetterverhältnissen, Geschwindigkeit und Größe des eigenen Fahrzeugs können auch größere Abstände geboten sein. Das ist auch der Fall, wenn auf dem Fahrrad ein Kind transportiert wird – dann müssen Autofahrer nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg mindestens 2 Meter Abstand halten (AZ 12 U 29/05).
Grundsätzlich dürfen Autofahrer überholen, ohne die Spur zu wechseln – übrigens auch bei durchzogener Mittellinie. Bei einer durchschnittlichen Fahrbahnbreite von 3 Metern innerorts ist es für Autofahrer aber häufig nicht möglich, Radfahrer mit ausreichend Abstand zu überholen, ohne auf die Gegenspur zu wechseln. Wenn diese durch dichten Gegenverkehr versperrt ist, bleibt dem PKW-Fahrer nichts anderes übrig, als langsam hinter dem Radfahrer herzufahren.
Selbst wenn der Fahrradfahrer eindeutig zu weit mittig fährt oder zwei Radfahrer nebeneinander fahren und die Straße blockieren, dürfen Autofahrer den Mindestabstand beim Überholen nicht unterschreiten. Nur weil sich der eine Verkehrsteilnehmer falsch verhält, darf sich der andere nicht auch falsch verhalten.
Jede Behinderung durch bummelnde Radler müssen sich Autofahrer allerdings nicht bieten lassen. Wenn ein Fahrradfahrer durch seinen Fahrstil bewusst andere Verkehrsteilnehmer ausbremst, indem er beispielsweise über eine längere Strecke mitten auf der Fahrbahn fährt, führt dies zu einem Verstoß gegen das Rechtsfahrgebot und damit einer Ordnungswidrigkeit. Im Extremfall kann dies sogar den Straftatbestand der Nötigung darstellen. Wer eine solche Tat anzeigt, sollte sie allerdings auch nachweisen können, zum Beispiel durch die Aussage eines Mitfahrers oder eine Videoaufnahme.
Beweise sind auch im umgekehrten Fall nötig: Wenn Radfahrer sich gegen rücksichtslose Autofahrer wehren möchten. Hier ist theoretisch eine Anzeige wegen Gefährdung des Straßenverkehrs möglich – allerdings nur bei grob verkehrswidrigem Überholen des Autofahrers. Wenn der Fahrradfahrer wegen eines zu dicht überholenden Fahrzeugs nachweislich stürzt und sich verletzt, kann er zudem Schadenersatz geltend machen.
Bei Radsport-Wettkämpfen oder Trainingsfahrten fahren die Teilnehmer im Pulk. Es hängt vom Zufall ab, wer einen Unfall verursacht. Daher gibt es einen Haftungsausschluss. Die Haftung ist aber dann nicht mehr ausgeschlossen, wenn sich die Teilnehmergruppe bereits auseinandergezogen hatte und eine ruhige Phase der gemeinsamen Ausfahrt eingetreten war. Das Unfallopfer kann dann Schadensersatz beanspruchen, hat das Oberlandesgerichts Frankfurt am 12. März 2020 (AZ: 1 U 31/19) entschieden
In dem Fall nahm der spätere Kläger mit dem Beklagten und 15 weiteren Teilnehmern an einer Fahrradtour teil. Der Kläger fuhr hier neben einem anderen Teilnehmer, der Beklagte versuchte links zu überholen. Durch eine Berührung stürzten mehrere Fahrer, der Kläger schleuderte gegen einen Baum und verletzte sich erheblich.
Da der Beklagte die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hatte, musste er Schadensersatz zahlen, so das Oberlandesgericht. Nach Auffassung des Gerichts hatte der Beklagte beim Überholen keinen ausreichenden Sicherheitsabstand eingehalten. Selbst nach seinen eigenen Angaben habe der Abstand zum Lenker des anderen maximal 48 cm betragen.
Weiterlesen … Fahrradfahrer überholen: Wie viel Abstand muss sein?
Mietrecht
Immer wieder kommt es vor, dass bei vorgeschriebenen Trinkwasserprüfungen eine erhöhte Konzentration von Legionellen im Wasser gefunden wird. Hierbei stellt sich dann die Frage, welche Rechte die Mieter in solchen Fällen haben.
Legionellen sind kleine Bakterien, welche sich im warmen Wasser entwickeln. Temperaturen zwischen 25°C bis 50°C bieten dabei eine optimale Bedingung für die Vermehrung dieser Bakterienart. Legionellen können zu Infektionen führen, wenn beispielsweise beim Duschen ein Wassernebel mit bakterienhaltigem Wasser eingeatmet wird. Das Trinken des legionellenhaltigen Wassers ist hingegen nicht gesundheitsgefährdend.
Lt. Trinkwasserverordnung ist der Vermieter und Hauseigentümer verpflichtet, dass Trinkwasser in Mietwohnungen aller drei Jahre auf den Befall von Legionellen untersuchen zu lassen. Der Untersuchungspflicht unterliegen sämtliche Anlagen in Gebäuden mit einer zentralen Warmwasserversorgungsanlage. Lediglich in Ein- oder Zwei-Familienhäusern gilt diese Pflicht nicht. Ferner sind Eigentümer von Gebäuden, welche keine zentrale Erwärmung oder zentralen Warmwasserspeicher haben, nicht verpflichtet, diese Untersuchungen durchzuführen.
Für diese Untersuchungen müssen im Haus dann Wasserproben entnommen werden. Dies kann auch dann in der jeweiligen Mietwohnung erfolgen. Oftmals sind insbesondere in den oberen Etagen die Räume betroffen. Für diese Untersuchung hat der Mieter eine Duldungspflicht und muss den Zutritt zur Wohnung gestatten.
Werden bei der Untersuchung weniger als 100 KbE (Kolonie bildende Einheiten) je 100 ml Wasser gefunden, dann ist dieser Wert in Ordnung. Der Vermieter muss dann die nächste Untersuchung nach dem Ablauf von drei Jahren durchführen. Ab einen Wert von 100 KbE je 100 ml Trinkwasser handelt es sich dann um eine so genannte mittlere Kontamination. In diesem Fall sind weitere Untersuchungen erforderlich. Mittelfristig muss eine Sanierung der Trinkwasserinstallation angestrebt werden. Ferner hat der Vermieter die Pflicht, das Gesundheitsamt zu informieren. Eine hohe Kontamination liegt dann vor bei einem Wert von mehr als 1000 KbE je 100 ml Wasser. Hier muss dann die Trinkwasserinstallation sofort saniert werden. Ab einer Kontamination von 10.000 KbE je 100 ml Wasser wird vom Vermieter ein Duschverbot ausgesprochen. Hiernach sind weitreichende Maßnahmen erforderlich.
Der Vermieter ist verpflichtet, dem Mieter umgehend das Ergebnis der Legionellen-Untersuchung bekanntzugeben. Ausreichend hierfür ist in der Regel ein Aushang im Treppenhaus. Sofern ein Legionellen-Befall festgestellt wurde hat der Vermieter gegebenenfalls gesundheitsgefährdende Umstände dem Mieter sofort mitzuteilen, damit auch der Mieter Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Insbesondere im Hinblick auf das Duschverhalten kann die Gefahr reduziert werden.
Dem Mieter steht das Recht zu, das Mietverhältnis mit sofortiger Wirkung zu kündigen sowie Schadenersatz für Umzug und Maklerkosten zu verlangen soweit der Vermieter es versäumt hat, über einen schwerwiegenden Legionellen-Befall zu informieren. Erkrankt der Mieter an einer Legionelleninfektion, nachdem der Vermieter seiner Pflicht zur regelmäßigen Prüfung des Trinkwassers nicht nachgekommen ist, stehen dem Mieter Schadenersatz und Schmerzensgeld zu (BGH in WuM 2015,412). Ferner stehen dem Mieter Mietminderungsrechte zu. So hat das Amtsgericht Dresden bereits im Jahr 2014 entschieden, dass der Mieter den Mietzins um 25% mindern darf bei einer deutlich überhöhten Legionellenkonzentration. Dabei wies jedoch auch das Amtsgericht München im Jahr 2015 daraufhin, dass kurzfristige erhöhte Konzentrationen von Legionellen nicht zur Mietminderung führen können.
Die dem Vermieter entstehenden Kosten der regelmäßigen Legionellen-Überprüfung kann der Vermieter als Teil der Warmwasserkosten auf den Mieter im Rahmen der Betriebskosten umlegen. Soweit eine Kontamination festgestellt wird ist der Vermieter jedoch nicht berechtigt, erforderliche Sanierungskosten auf die Mieter umzulegen.
Wird ein erhöhter Legionellen-Bestand festgestellt empfiehlt es sich grundsätzlich immer, einen Rechtsanwalt im Hinblick auf die Prüfung der jeweiligen Ansprüche zu kontaktieren. Sehr gern stehen wir Ihnen hierzu zur Verfügung.
Weiterlesen … Legionellen im Trinkwasser - Rechte des Mieters
Familienrecht
Seit dem 01.01.2024 ist die neue Düsseldorfer Tabelle in Kraft. Diese ist für den Unterhaltsbedarf eine anerkannte Richtlinie und sie gibt beispielsweise den Mindestunterhaltsbetrag für minderjährige Kinder an. Die Düsseldorfer Tabelle wird vom Oberlandesgericht Düsseldorf regelmäßig zusammen mit dem Deutschen Familiengerichtstag aktualisiert.
Dabei gab es auch 2024 eine Erhöhung des Mindestunterhaltsbetrages als absolutes Existenzminimum eines jeden Kindes. Gemäß der neuen Düsseldorfer Tabelle 2024 liegt der monatliche Mindestbedarf bei einem Nettoeinkommen bis 2.100,00 € für Kinder bis zum 5. Lebensjahr nunmehr bei 480,00 € und für Kinder zwischen dem 6. und 11. Lebensjahr bei 551,00 €. Ab dem 12. Lebensjahr beträgt der Mindestunterhalt 645,00 € und ab dem 18. Lebensjahr dann 689,00 €. Damit sind die Beträge erneut erheblich gestiegen. Die Beträge sind damit in diesem Jahr um mehr als 9 % gegenüber dem Jahr 2023 gestiegen und über 20 % im Vergleich mit dem Jahr 2022.
Geändert hat sich, dass die zweite Einkommensgruppe nunmehr bei 2.100,00 € beginnt, anstatt bei 1.900,00 € gemäß der vorjährigen Düsseldorfer Tabelle(n). Der Selbstbehalt wurde allerdings ebenfalls erhöht und auf 1.450,00 € festgelegt. Bei Erwerbslosigkeit bleiben 1.200,00 € monatlich als Selbstbehalt bestehen, wobei für Unterkunft, Nebenkosten und Heizung jeweils 520,00 € im Selbstbehalt enthalten sind.
Arbeitsrecht
Gemäß Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 18.10.2023, Az. 5 AZR 22/23, gilt grundsätzlich gemäß § 12 Abs. 1 S. 3 Teilzeit- und Befristungsgesetz eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart, soweit der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine Arbeit "auf Abruf" vereinbaren und die Dauer der darin enthaltenen wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest vereinbaren. Eine Abweichung kann, so dass Bundesarbeitsgericht, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei dem Vertragsabschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt.
Die Arbeitnehmerin war in dem entschiedenen Fall bei dem Arbeitgeber, einem Unternehmen der Druckindustrie, als so genannte „Abrufkraft Helferin Einlage“ beschäftigt. Der von ihr mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag enthielt keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Arbeitnehmerin wurde - wie die übrigen auf Abruf beschäftigten Arbeitnehmer - nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichen Umfang zur Arbeit herangezogen. Nachdem sich der Umfang des Abrufs ihrer Arbeitsleistung ab dem Jahr 2020 im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Jahren verringerte, hatte die Arbeitnehmerin sich darauf berufen, ihre Arbeitsleistung sei in den Jahren 2017 - 2019 nach ihrer Berechnung von der Arbeitgeberin in einem zeitlichen Umfang von durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden. Sie meinte, eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass dies die nunmehr geschuldete und von der Arbeitgeberin zu vergütende Arbeitszeit sei. Soweit der Abruf ihrer Arbeitsleistung in den Jahren 2020 und 2021 diesen Umfang nicht erreiche, verlangte sie Vergütung wegen Annahmeverzugs von der Arbeitgeberin.
Das Arbeitsgericht hatte, ausgehend von der gesetzlichen Regelung des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG angenommen, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Abrufarbeitsverhältnis der Parteien betrage 20 Stunden. Es hat deshalb der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nur in geringem Umfang insoweit stattgegeben, als in einzelnen Wochen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der sie an ihren weitergehenden Anträgen festgehalten hatte, blieb vor dem 5. Senat des Bundesarbeitsgerichts erfolglos.
Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen Sie nach § 12 Absatz 1 S. 2 Teilzeit - und Befristungsgesetz arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen. Unterlassen sie das, schließt § 12 Absatz 1 S. 3 TzBfG diese Regelungslücke, in dem kraft Gesetzes einer Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann vorgenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme hat die Arbeitnehmerin jedoch gar keine Anhaltspunkte vortragen können.
Wird die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Absatz 1 S. 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt ein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend, er wolle sich für die Zukunft an eine abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden, nicht zu. Ebenso wenig rechtfertigt alleine die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als die nach § 12 Absatz 1 S. 3 TzBfG geschuldeten Zeit zu arbeiten, die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden
(Quelle: Pressemitteilung des BAG Nr. 42/23 vom 18.10.2023)
Weiterlesen … Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit ohne vertragliche Regelung
Mietrecht
Durch Beschluss vom 24.01.2023 hat der Bundesgerichtshof (BGH) klar zu verstehen gegeben, dass ein Gericht durch Einholung eines Sachverständigengutachtens als Erkenntnisquelle die ortsübliche Vergleichsmiete zulässig bestimmen kann, solange das Gutachten sich auf einen Mietspiegel stützt. (BGH-Beschluss vom 24.01.2023 - VIII ZR 223/21). Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung damit aber auch klargestellt, dass die Ermittlung der Vergleichsmiete von Wohnungen immer letztlich auf dem Mietspiegel beruhen soll. Es gibt kein Nebeneinander von einem Sachverständigengutachten und einem Mietspiegel.
In dem entschiedenen Fall begehrte der Vermieter die Zustimmung des Mieters zu einer Mieterhöhung. Nachdem der Mieter seine Zustimmung verweigerte, klagte der Vermieter. Das Amtsgericht hatte dann seine Entscheidung auf ein schriftlich eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen zur Miethöhe gestützt. In diesem Gutachten war der Mietspiegel der betroffenen Gemeinde zugrunde gelegt worden und wurde vom Sachverständigen zur Plausibilisierung der ermittelten Miete hinzugezogen.
Der Vermieter wehrte sich gegen die Entscheidung, welche die ortsübliche Vergleichsmiete nicht im Sinne des Vermieters wiedergab. Hiergegen wehrte sich der Vermieter dann vor dem Berufungsgericht und später vor dem BGH. Der BGH wies die Revision ab. Die ortsübliche Vergleichsmiete dürfe auf der Grundlage von Erkenntnisquellen bestimmt werden, die die tatsächlichen und üblicherweise gezahlten Mieten für vergleichbaren Wohnraum in einer für die freie Überzeugungsbildung des Gerichts hinreichende Art und Weise berücksichtigt. Dabei - so der BGH - begegne es keinen rechtlichen Bedenken, wenn das Amtsgericht die Überzeugungsbildung bezüglich der Vergleichsmieten nicht unmittelbar auf den Mietspiegel stütze, sondern auf ein Sachverständigengutachten, welches wiederum seinerseits sich auf den Mietspiegel bezog. In diesem Fall lag der Überzeugungsbildung des Amtsgerichts nicht nur das Sachverständigengutachten zugrunde, sondern mittelbar der Mietspiegel der betroffenen Gemeinde. Dabei ist jedoch das Sachverständigengutachten keine über den Mietspiegel hinausgehende zusätzliche Erkenntnisquelle, sondern lediglich die Überzeugungsbildung auf dem im Sachverständigengutachten herangezogenen Mietspiegel.
Verkehrsrecht
Das Landgericht Zwickau hat in einem durch unsere Kanzlei Roth | partner selbst erstrittenen Urteil vom 29.08.2023, Az. 1 O 391/21, eine Schadenersatzklage abgewiesen, welche der Kläger gegen einen Verkehrsteilnehmer erhoben hatte, weil dieser ihm angeblich über seinen rechten Fuß auf einer Erschließungsstraße gefahren sei. In dem selbst erstrittenen Urteil wies das Landgericht Zwickau in einer ungewöhnlich klaren Art und Weise darauf hin, dass der vermeintlich Geschädigte selbst ein Unfallgeschehen fingiert hatte um unberechtigte Schadensersatzansprüche geltend machen zu können.
Der Kläger hatte vorgetragen, dass er am 30.10.2018 sich auf einem Klinikgelände aufgehalten habe, wobei es zu einem Verkehrsunfall gekommen sei. Der beklagte Fahrzeughalter habe auf dem Gelände der Klinik eine Erschließungsstraße mit dort befindlichen Parkplätzen befahren. Dabei soll sich der beklagte Fahrzeughalter dem Kläger genähert haben, welcher am rechten Rand der Erschließungsstraße gelaufen sei. Als der Fahrzeugführer einen vor ihm kommenden Kleintraktor passierte, soll dann der Kläger, als sich der von dem Fahrzeugführer geführte Pkw in dessen Höhe befand, gestürzt sein und vom Rad des PKW soll der rechte Fuß überfahren worden sein.
Das Landgericht Zwickau wies die Klage ab und wies darauf hin, dass ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB und aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG jeweils in Verbindung mit § 249 BGB sowie 253 Abs. 2 BGB nicht bestehe.
Eine Beweisaufnahme war durchgeführt worden. Dabei hatte der Darlegungs- und Beweisbelastete Kläger die im Kernbereich des Geschehensverlaufs gemachten Angaben in widersprüchlicher Weise immer wieder anders dargestellt. Dabei sei nach einer Unfallversion der Kläger auf der rechten Seite der Erschließungsstraße gegangen wobei ihm auf der gegenüberliegenden Seite der Straße ein Kleintraktor entgegenkam. Hiernach habe er beabsichtigt, zur linken Seite der Erschließungsstraße zu wechseln. Dabei habe er sich leicht mit seinem Körper zur linken Fahrbahnseite gewandt und unmittelbar hiernach noch bevor der Kläger diesen Weg weiterverfolgen konnte, habe er von hinten einen Anstoß verspürt der ursächlich für seinen Sturz gewesen sei. Danach habe er einen Schmerz im rechten Fuß verspürt, weil der PKW über seinen Fuß gefahren sei. Später dann gab der Kläger an, dass er nach dem Entschluss, die Straße nach links zu überqueren, zuerst nach hinten geschaut habe und dabei den sich nähernden PKW gesehen habe wobei der PKW seiner Einschätzung nach in einer ungefährlichen Entfernung gewesen sei. Hiernach habe er sich dann über die Straße begeben wobei er den Stoß verspürt habe und er dann und rücklinks zu Boden gefallen sei. Erst hiernach soll dann das rechte Vorderrad des PKW über seinen Fuß gefahren sein. Diese Version wurde dann wiederum geändert und der Zeuge gab an, dass er sich über den rückwärtigen Verkehr vergewissert hatte und auf Vorhalt, dass seine Schilderung von vorangegangenen Schilderungen abweichen, erklärte der Kläger dies mit Erinnerungslücken.
Das Landgericht hat in deutlicher Art und Weise herausgearbeitet, dass keiner der geschilderten Unfallhergänge tatsächlich so stattgefunden haben könne. Die im Kernbereich des Geschehensablaufs ohnehin widersprüchlichen Angaben des Klägers wurden durch das unfallanalytische Gutachten widerlegt. Der Kläger beharrte jedoch in seiner Anhörung an den einander widersprechenden Angaben zum Geschehensablauf. Das Landgericht wies darauf hin, dass der Kläger offensichtlich nicht zurückschrecke, durch ein von ihm herbeigeführtes Unfallereignis einen haftungsrelevanten Sachverhalt zu fingieren um bereits bei bestehender Vorverletzung unberechtigte Schadensersatzforderungen gegenüber Dritten zu generieren.
Weiterlesen … Kein Schadenersatz bei vorgetäuschtem Verkehrsunfall
Mietrecht
In einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat sich dieser zu grundlegenden Fragen eines Besichtigungsrechts geäußert, welches der Vermieter im laufenden Mietvertragsverhältnis geltend machen kann. In dem entschiedenen Fall stand ausdrücklich im Mietvertrag der Parteien vereinbart, dass dem Vermieter oder seinen Beauftragten aus besonderem Anlass die Besichtigung der Mieträume zu verkehrsüblicher Tageszeit nach vorheriger rechtzeitiger Ankündigung an Werktagen (auch am Samstag) freistehe.
Der Vermieter verlangte Zutritt zur Wohnung, welchen der Mieter verwehrte. Der Vermieter verklagte sodann den Mieter auf Gewährung des Zutrittes.
Der Bundesgerichtshof urteilte in seiner Entscheidung, dass grundsätzlich eine vertragliche Nebenpflicht des Mieters besteht, dem Vermieter nach entsprechender Vorankündigung den Zutritt zur Wohnung zu gewähren. Hierfür sei jedoch ein sachlicher konkreter Grund erforderlich. Derartige Gründe können in der Besichtigung der Mietwohnung anlässlich eines beabsichtigten Verkaufs der Wohnung liegen. Die räumliche Sphäre der Wohnung steht unter dem Schutz des Artikel 13 Abs. 1 Grundgesetz und das alleinige Gebrauchsrecht ist während der Mietdauer dem Mieter zugewiesen.
Allerdings besteht eine vertragliche Nebenpflicht, welche aus § 242 BGB hergeleitet wird, dem Vermieter der Wohnung den Zutritt zu gewähren im Falle eines berechtigten Interesses. Eine solche Pflicht kann sich insoweit dann grundsätzlich auch aus dem Mietvertrag selbst ergeben und eine derartige Klausel des Vermieters ist insoweit wirksam, so der BGH. Das Recht des Mieters, in den Mieträumen "in Ruhe gelassen" zu werden ist gegen das Interesse des Vermieters abzuwägen. Da eine Besichtigung in der Regel nur Minuten dauert und weniger einschneidend wäre als eine Räumung, muss bei der Besichtigung grundsätzlich weit weniger einschneidende Vorgehensweisen intensiv geprüft werden und an den Grund des Vermieters sind keine übertriebenen Anforderungen zu stellen, BGH, Urteil vom 26.04.2023, VIII ZR 420/21.
Weiterlesen … Das Besichtigungsrecht der Mietwohnung durch den Vermieters
Familienrecht
Durch einen seitens unserer Kanzlei selbst erstrittenen Beschluss des Amtsgerichts Bautzen, Az. 12 F 161/23, wurde die elterliche Sorge für zwei minderjährige Kinder allein auf die antragstellende Kindesmutter übertragen.
Hintergrund war, dass der Kindesvater nach der Trennung der Beteiligten im Jahr 2021 aus dem vormals gemeinsamen Hausgrundstück ausgezogen war. Er hielt sich dann zeitweise zum Teil im Ausland bei seiner Mutter auf. Umgangskontakte mit den Kindern fanden immer weniger statt. Zuletzt fand dann noch ein Umgangskontakt in einem Cafe statt. Zu diesem erschien der Kindesvater im betrunkenen Zustand. Schließlich verzog der Kindesvater unbekannt und war für die Kindesmutter sowie auch Ämter und Behörden nicht mehr auffindbar.
Gemäß der Entscheidung des Amtsgericht Bautzen ist in derartigen Fällen die Übertragung der elterlichen Sorge allein auf den betreuenden Elternteil zwingend erforderlich. Mitwirkungsmöglichkeiten im Rahmen der elterlichen Sorge sind bei unbekanntem Aufenthalt des Vaters nicht mehr vorhanden. Der betreuende Elternteil muss in die Lage versetzt werden, allein Anmeldungen zur Schule, Konteneröffnungen etc. vornehmen zu können. Insoweit ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und auf den betreuenden Elternteil allein zu übertragen.
Weiterlesen … Übertragung der elterlichen Sorge bei unbekannten Aufenthalts des Vaters
Arbeitsrecht
Das Bundesarbeitsgericht hatte in einem aktuellen Fall, Az. 8 AZR 438/21, über Entschädigungsansprüche eines Bewerbers zu entscheiden, welcher sich auf die Stelle eines Verwaltungsfachangestellten für ein Bauamt beworben hatte. Zuvor hatte das Arbeitsgericht die Klage des Bewerbers insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte die Berufung des Bewerbers zurückgewiesen. In der Revision verfolgte der Bewerber seinen Entschädigungsanspruch weiter. Das Bundesarbeitsgericht hat die Ansprüche des Arbeitnehmers dann endgültig zurückgewiesen.
Dem Rechtsstreit vorausgegangen waren Streitigkeiten zwischen den Parteien aufgrund einer vormaligen Beschäftigung des Bewerbers bei demselben Arbeitgeber, bei dem er sich später wieder bewarb. Das Arbeitsverhältnis war durch Kündigung des Arbeitgebers beendet worden. Nunmehr bewarb sich der Bewerber erneut auf die gleiche Stelle.
Als er abgelehnt wurde, klagte er auf Entschädigung wegen Benachteiligung aufgrund seiner Schwerbehinderung. Gemäß dem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes kam es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber gegen Vorschriften verstoßen hatte, welche die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zu Gunsten schwerbehinderter Menschen enthält, insbesondere ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 165 S. 3 SGB IX vorlag.
Denn das Entschädigungsverlangen eines erfolglosen Bewerbers gemäß § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand gemäß § 242 BGB ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist dann anzunehmen, wenn diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status eines Bewerbers im Sinne von § 6 Absatz 1 S. 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung oder Schadenersatz geltend zu machen.
Gemäß § 142 BGB sind durch unredlichen Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Arbeitgeber hatte sich in dem Prozess zur Begründung des Rechtsmissbrauchseinwand auf ein Vorbringen des Arbeitnehmers in einem vorangegangenen arbeitsgerichtlichen Verfahren gestützt. In einem solchen Schriftsatz, den der Bewerber selbst verfasst hatte, hatte er als vormaliger Arbeitnehmer der Beklagten vorgetragen, dass er bei dem Arbeitgeber insbesondere durch Verhalten eines Personalverantwortlichen in mehrfacher Hinsicht diskriminiert worden sei. In diesem Zusammenhang hatte der Arbeitnehmer auf Besonderheiten betreffend des Personalverantwortlichen hingewiesen und hatte ausgeführt, dass er von schweren Straftaten des Personalverantwortlichen Kenntnis erlangt habe und daher „Angst um Leib und Leben“ haben musste.
Das Bundesarbeitsgericht wies darauf hin, dass in einem solchen Verhältnis zwischen Bewerber und Arbeitgeber nicht ernsthaft davon ausgegangen sein kann, dass dem Bewerber tatsächlich daran gelegen war, in das von ihm offensichtlich als äußerst belastend empfundene Arbeitsumfeld bei dem Arbeitgeber, deren Personalverantwortlicher unverändert die Person war, vor der der Bewerber Angst hatte, zurückkehren zu wollen. Insoweit sei davon auszugehen, dass es dem Bewerber lediglich darauf ankam, einen Entschädigungsanspruch geltend zu machen. Insoweit stand der Einwand des Rechtsmissbrauchs dem Entschädigungsanspruch des Bewerbers entgegen.
Quelle: Bundesarbeitsgericht.de/Entscheidung/8-AZR-438-21
Mietrecht
Das Landgericht München hatte in einem Urteil vom 25.05.2022 (Az. 14 S 16374/21) über einen Streit zwischen Mieter und Vermieter zu befinden, in welchem der Mieter vom Vermieter die Erlaubnis zur Installation einer so genannten Wallbox für das Laden seines Elektrofahrzeuges in einer Garage geltend gemacht hatte. Das Landgericht gab in der Entscheidung dem Mieter recht.
Die Parteien waren durch ein Mietverhältnis über ein Reihenhaus miteinander verbunden. Vom Vermieter wurde eine Einzelgarage an den Mieter mitvermietet. Die Parteien stritten dann über die Erlaubniserteilung zur Installation der Wallbox in dieser Garage. Der Mieter wollte dort sein Elektrofahrzeug täglich laden. Der Vermieter war vom Amtsgericht zunächst verurteilt worden, die Erlaubnis zur Installation der Wallbox in der Garage für das Laden eines Elektrofahrzeuges zu erteilen. Gegen diese Entscheidung ging der Vermieter in Berufung. Vermieterseits wurde dargetan, dass dem Mieter kein Anspruch auf Installation einer Wallbox zustehe, da es sich um bauliche Veränderungen handele, die unter Würdigung der Interessen von Mieter und Vermieter dem Vermieter nicht zugemutet werden können. Auch ihr Konservierungsinteresse überwiege, nachdem durch die Installation auch ein gefahrträchtiger Zustand geschaffen werde. Ferner waren sie der Ansicht, dass auch eine baurechtswidrige Situation geschaffen würde.
Das Landgericht wies die Berufung zurück und bestätigte das Urteil des Amtsgerichts München. Dem Mieter steht der geltend gemachte Anspruch auf Abgabe der Erlaubnis zur Installation einer Wallbox zu. Ein Anspruch bestehe gemäß § 554 Absatz 1 Satz 1 BGB und wäre auch nicht aus sonstigen Gründen ausgeschlossen. Die im Zusammenhang mit der Installation stehende bauliche Veränderung sei für Vermieter grundsätzlich zumutbar. Im Rahmen einer Interessenabwägung sei zu Gunsten des Mieters zu berücksichtigen, dass der Mieter nach Installation der Wallbox nicht mehr auf Nutzung öffentlicher Ladestationen angewiesen wäre. Und im Hinblick auf das grundsätzliche Konservierungsinteresse des Vermieters sei zu berücksichtigen, dass die bauliche Veränderung einerseits denkbar gering ausfällt. Andererseits handle sich auch lediglich um die Befestigung an der Garagenwand und die Verbindung mit dem vorhandenen Starkstromanschluss. Dieser bauliche Eingriff ist von geringer Intensität, so dass auch die Rückbaukosten als niedrig zu betrachten wären. Der Mieter habe zudem gemäß § 554 Absatz 1 Satz 3 BGB mehrfach angeboten, eine Sicherheit zu leisten im Hinblick auf die Rückbaukosten, was ebenfalls zu Gunsten des Mieters Berücksichtigung finden kann.
Gemäß den Ausführungen des Landgerichts komme es auch nicht zu einer konkreten Gefährdung der Mietsache. Insbesondere sei zu einer erhöhten Brandgefahr nichts vorgetragen. Pauschale Befürchtungen und ein Verweis auf latent hohe Brandgefahr bei Elektrofahrzeugen sei nicht ausreichend.
Die Nutzung der Garage zum Einstellen eines Elektrofahrzeuges sei insoweit dem Mieter unzweifelhaft erlaubt und stelle einen vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache dar. Eine Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung rechtfertige auch nicht die moralischen Vorbehalte von Vermietern gegenüber der Nutzung von Elektrofahrzeugen. Diese können im Rahmen der vom Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung keine Berücksichtigung finden.
Insoweit sollte jeder Vermieter im Einzelfall prüfen, ob er gegen das Ansinnen des Mieters eine Wallbox in der Garage zu installieren, vorgehen möchte. Dabei bleibt abzuwarten, ob sich diese Rechtsprechung auch auf größere Garagen von Mietshäusern durchsetzen wird.
Weiterlesen … Anspruch des Mieters auf eine Installation einer Wallbox in einer Garage
Verkehrsrecht
Das Amtsgericht Dortmund hatte in einer Entscheidung vom 22.11.2022, (Az. 729 OWI-265 Js 1807/22-117/22) entschieden, dass ein betroffener Autofahrer freigesprochen werden muss, welcher mit einer überhöhten Geschwindigkeit gemessen wurde.
Der Autofahrer war auf der Autobahn mit seinem Fahrzeug unterwegs und geriet in eine Geschwindigkeitsmessung. Er erhielt einen Bußgeldbescheid, welcher eine Überschreitung von 36 km/h auswies. Der Autofahrer war durch zwei Polizeibeamte, welche unter Verwendung eines nicht geeichten Tachos hinter ihm hergefahren war, gemessen worden.
Der Fahrer legte Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Das Amtsgericht Dortmund stellte dann klar, dass die Geschwindigkeitsmessung nicht nachvollzogen werden kann. Einerseits sei gar nicht erkennbar, wie eine zuverlässige Messstrecke von 1.000 m und andererseits der gleichbleibende Abstand des Fahrzeugs sowie eine durchgehende Tachometerbeobachtung durch zwei Zeugen sichergestellt hätte werden können.
Es wäre eine ununterbrochene Beobachtung des Fahrzeugs des Betroffenen erforderlich sowie eine durchgehende Kontrolle des gleichbleibenden Abstandes des Polizeifahrzeuges und darüber hinaus eine gleichzeitige Feststellung der Messstrecke, was keinem menschlichen Ermessen möglich wäre.
Weiterlesen … Unzulässige Geschwindigkeitsmessung bei Nachfahren mit einem ungeeichten Tacho
Mietrecht
In einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 05.10.2022, Az. VIII ZR 117/21, wurde nunmehr klargestellt, dass Wartungskosten einer Brandmeldeanlage grundsätzlich als sonstige Betriebskosten umlagefähig sind. Allerdings wurde offengelassen, ob eine Umlage der Wartungskosten auch als „neu entstehende Betriebskosten“ möglich ist, wenn eine ausdrückliche Umlagevereinbarung zwischen Vermieter und Mieter nicht getroffen wurde.
Hintergrund der Entscheidung ist, dass die klagenden Mieter eine Umlagevereinbarung mit dem Vermieter geschlossen hatten, wonach „Brandschutz- und Brandmeldeanlagen“ als sonstige Betriebskosten umlagefähig sein sollen. Die Mieter hatten nach Übermittlung einer Betriebskostenabrechnung auf Rückzahlung geklagt im Hinblick auf vom Vermieter abgerechnete Kosten der Wartung der sich in der Wohnung befindlichen Rauchmelder.
Der Bundesgerichtshof führte zur Begründung aus, dass der Subsumtion dieser Wartungskosten unter die zwischen den Parteien als umlagefähig vereinbarte Positionen „Brandschutz- und Brandmeldeanlagen“ nichts entgegenstehe. Dass der Vermieter mit der Wartung der Rauchwarnmelder zugleich eigenen Verkehrssicherungspflichten genüge, stehe einer Umlage gleichfalls nicht entgegen.
Der BGH ist der Auffassung, dass die Erfüllung von Verkehrssicherungspflichten als rein haftungsrechtlicher Gesichtspunkt kein maßgebendes Kriterium zur Abgrenzung zwischen Instandhaltungs- und Betriebskosten ist.
Weiterlesen … BGH: Rauchmelderwartungskosten sind umlegbaren Betriebskosten
Familienrecht
Mit Wirkung zum 01.01.2023 wurde in § 1358 BGB n.F. ein zeitlich begrenztes Recht der Ehegatten auf Vertretung des jeweils anderen Ehegatten in Angelegenheiten der Gesundheitssorge eingeführt (BGB L. I. 2021, 882, 883 - Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts).
Durch diese Neuregelung soll für den Zeitraum im Anschluss an eine erste Akutversorgung nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung eine gesetzliche Vertretung bestehen, bis der Patient selbst wieder in der Lage ist, seine Angelegenheiten zu regeln. Häufig ist das nach wenigen Tagen oder Wochen bereits der Fall, weshalb die neue gesetzliche Regelung die Anordnung einer vorläufigen Betreuung nach § 300 FamFG in einer die Familie ohnehin äußerst belastenden Situation vermieden wird.
Zwar ließe sich eine solche Betreuerbestellung auch durch eine der Betreuung gegenüber vorrangige Vorsorgevollmacht für den jeweiligen Ehegatten vermeiden. Allerdings wird nach wie vor von dieser Möglichkeit der Errichtung einer Vorsorgevollmacht viel zu wenig Gebrauch gemacht.
Insoweit handelt es sich um eine durchaus sinnvolle Neuregelung.
Weiterlesen … Neues Ehegattennotvertretungsrecht in Gesundheitsangelegenheiten
Arbeitsrecht
Gemäß Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 19.10.2022 (7 ABR 27/21) gilt das Amt der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl der schwerbehinderten Beschäftigten in einem Betrieb unter 5 weiter fort. Die Schwerbehindertenvertretung ist die Interessenvertretung der schwerbehinderten und gleichgestellten Beschäftigten. Sie wird gemäß § 177 Absatz 1 Satz 1 SGB IX unter anderem in Betrieben mit wenigstens 5, nicht nur vorübergehenden Beschäftigten, schwerbehinderten Menschen für eine Amtszeit von regelmäßig 4 Jahren gewählt. Sinkt die Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter im Betrieb unter den Schwellenwert von 5, ist das Amt der Schwerbehindertenvertretung nicht vorzeitig beendet.
In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Kölner Betrieb einer Arbeitgeberin mit ungefähr 120 Mitarbeitern, wurde im November 2019 eine Schwerbehindertenvertretung gewählt. Zum 01.08.2020 sank die Zahl der schwerbehinderten Menschen in diesem Betrieb auf 4 Beschäftigte. Die Arbeitgeberin informierte die Schwerbehindertenvertretung darüber, dass sie nicht mehr existiere und die schwerbehinderten Beschäftigten von der Schwerbehindertenvertretung in einem anderen Betrieb vertreten würden.
In dem von ihr eingeleiteten Verfahren hat die Schwerbehindertenvertretung des Kölner Betriebes die Feststellung begehrt, dass ihr Amt nicht aufgrund des Absinkens der Anzahl schwerbehinderter Menschen im Betrieb vorzeitig beendet ist. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben den Antrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde der Schwerbehindertenvertretung hatte vor dem 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das Amt der Schwerbehindertenvertretung ist nicht vorzeitig beendet. Eine ausdrückliche Regelung, die das Erlöschen der Schwerbehindertenvertretung bei Absinken der Anzahl schwerbehinderter Beschäftigter unter den Schwellenwert nach § 177 Abs. 1 SGB IX vorsieht, besteht im Gesetz nicht. Eine vorzeitige Beendigung der Amtszeit ist auch nicht aus gesetzessystematischen Gründen oder im Hinblick auf Sinn und Zweck des Schwellenwerts geboten (Quelle: Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.10.2022 Nr. 41/22).
Mietrecht
Das Sächsische Kabinett hat am 31.05.2022 die Mietpreisbegrenzungsverordnung beschlossen. Für die Städte Dresden sowie Leipzig tritt mit der Veröffentlichung der Verordnung im Sächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt die sogenannte Mietpreisbremse in Kraft. Damit dürfen künftig bei Abschluss eines neuen Mietvertrages die Mieten max. 10 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen, welche wiederum gemäß dem Dresdner und Leipziger Mietspiegel zu ermitteln ist.
Hintergrund ist das Bürgerliche Gesetzbuch, welches den Landesregierungen die Möglichkeit bietet, per Rechtsverordnung befristet bis zum Ende des Jahres 2025 bestimmte Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten zu bestimmen, in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen gefährdet ist.
Zuvor wurde bereits im Juni 2020 die Regelung zur abgesenkten Kappungsgrenze bis zum 30.06.2025 verlängert. Mieten in bestehenden Mietverhältnissen dürfen demnach in Dresden sowie Leipzig innerhalb von drei Jahren nur um max. 15 % angehoben werden.
Verkehrsrecht
Das Verwaltungsgericht Würzburg hat in einer Entscheidung vom 23.02.2022 den Entzug einer Fahrerlaubnis wegen E-Scooterfahrens unter Drogen für rechtmäßig erklärt.
Bei einer Verkehrskontrolle wurde der Fahrer eines E-Scooters unter Einfluss von Cannabis und Amphetaminen positiv getestet. Die Fahrerlaubnisbehörde hatte dem Fahrer dann die Fahrerlaubnis entzogen. Hiergegen richtete sich sein Widerspruch und später seine Klage.
Das Verwaltungsgericht Würzburg, Az. W 6 K 21.1113, entschied gegen den Fahrer des E-Scooters. Er habe unter Wirkung von Betäubungsmitteln mit einem Kraftfahrzeug am Straßenverkehr teilgenommen und damit gemäß Nr. 9.1 und 9.22 der Anlage 4 FEV. sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
Weiterlesen … Entzug der Fahrerlaubnis bei Fahrt mit E-Scooter unter Einfluss von Drogen
Mietrecht
Gemäß einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes wird die Diskussion über die Frage der Anwendung des Kürzungsrechts beendet.
Zu klären war die streitige Frage, ob dem Mieter bei auch nur teilweise fehlender Erfüllung der Tatbestandsmerkmale des § 9 HeizkV ein Kürzungsrecht gemäß § 12 HeizkV zusteht.
Die streitgegenständliche Wohnanlage verfügte über eine zentral verbundene Anlage zur Versorgung der Wohnungen mit Wärme und mit Warmwasser. Hierfür sieht § 9 der Heizkostenverordnung vor, dass die einheitlich für Wärme und Warmwasser entstandenen Kosten des Betriebs aufzuteilen sind. Diese Aufteilung erfolgt anhand der Anteile am Wärmeverbrauch. Zur Ermittlung dieser Anteile am Wärmeverbrauch, ist der Verbrauch der zentralen Warmwasserversorgungsanlage vom gesamten Verbrauch der verbundenen Anlage abzuziehen. Zu diesem Zweck wird geregelt, dass die auf die zentrale Warmwasserversorgungsanlage entfallende Wärmemenge mit Wärmemengenzählern zu messen ist. Wenn diese fehlen, dann ist eine Kürzung durch die Mieter gerechtfertigt. Bei diesem Kürzungsrecht des Mieters handelt es sich um einen pauschalierten Schadensersatzanspruch wegen Nichtbeachtung, der sich aus der Heizkostenverordnung ergebenden und als mietvertragliche Nebenpflichten einzuordnenden Vermieterpflichten
Die Möglichkeit zur pauschalen Schadensberechnung ist dabei zwangsläufig mit der Gefahr einer unzutreffenden bzw. zu hohen Bemessung des Schadens verbunden. Insoweit gab der BGH dem Mieter recht, mit der Begründung, der Wille des Gesetzgebers sieht genau diese Auslegung der Heizkostenverordnung so vor ((BGH, VIII ZR 151/20, Urteil vom 12.01.2022).
Weiterlesen … Heizkosten: Ohne Wärmemengenzähler erfolgt Kürzung
Familienrecht
Gemäß eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Rostock vom 10.12.2021, Az. 10 UF 121/21, ist die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Zustimmung zu Impfungen gegen das Coronavirus mit einem mRNA-Impfstoff, bei einer vorhandenen Empfehlung einer Impfung durch die Ständige Impfkommission (Stiko), auf denjenigen Elternteil zu übertragen, welcher der Empfehlung der Stiko folgt und die Impfung befürwortet.
So hatte bereits das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden sowie auch das Oberlandesgericht München.
Dabei bestätigten die Richter auch, dass eine Übertragung der Teilbereiche der elterlichen Sorge auch im Wege einer Einstweilen Anordnung in Betracht komme. Dem stehe nicht entgegen, dass durch eine sodann erfolgende Impfung die Hauptsache vorweggenommen wird. Entscheidend sei das dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden, was grundsätzlich im Hinblick auf die sogenannte „vierte Welle“ dem Grunde nach zu bejahen sei. Im Hinblick auf sodann folgende Auffrischungsimpfungen solle jedoch ein Eilbedürfnis hierzu nicht bestehen.
Bei Fragen rund um das Thema elterliche Sorge und Impfung sollte insoweit immer anwaltlicher Rat eingeholt werden.
Arbeitsrecht
Auch im Jahr 2022 wird es wieder eine Vielzahl von Änderungen im Arbeitsrecht geben. Wir haben hierzu eine kurze Zusammenstellung zur besseren Übersicht erstellt:
-Der gesetzliche Mindestlohn soll ab dem 01.01.2022 brutto 9,82 € pro Arbeitsstunde betragen.
-Die Minijobgrenze wird von 450,00 € auf 520,00 € angehoben.
-Krankmeldungen der Patienten werden seit 01.10.2021 digital an die Krankenkassen übermittelt und ab 01.07.2022 sollen auch die Arbeitgeber elektronische Krankmeldungen erhalten. Damit wird erheblich zur Digitalisierung beigetragen. Allerdings müssen Ärzte den Versicherten auch weiterhin eine Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit in Papierform aushändigen.
-Auch eine Neuregelung zur digitalisierten Arbeitslosenmeldung findet statt. Arbeitslose müssen ab Januar 2022 nicht persönlich die Agentur für Arbeit aufsuchen. Ausreichend ist nunmehr eine elektronische Arbeitslosmeldung.
-Der steuerliche Grundfreibetrag wird erhöht um 204,00 €. Einkommensteuer wird fällig für Ehepaare sowie eingetragene Lebenspartner ab einem Betrag von 19.896,00 € sowie für Ledige ab einem Betrag i.H.v. 9.948,00 €.
-Noch bis 31.03.2022 kann der sogenannte Coronabonus Arbeitnehmern vom Arbeitgeber gezahlt werden. Auch gilt bis zu diesem Zeitpunkt der leichtere Zugang zu Kurzarbeitergeld sowie Neustarthilfen und Härtefallhilfen.
Mietrecht
In einer selbst erstrittenen Entscheidung des Amtsgerichts Dresden, Az. 140 C 3306/19, hat das Amtsgericht Dresden die Mieterrechte gestärkt. Es wies eine Klage ab seitens einer Vermieterin, die den Mieter auf Schadensersatz in Anspruch genommen hatte, nachdem dem Mieter in einem abgeschlossenen Kfz in der Tiefgarage des Wohngebäudes ein Wohnungsschlüssel entwendet wurde.
Im konkreten Fall hatte der Mieter einen Wohnungsschlüssel nach seiner Urlaubsrückkehr in der Tiefgarage des Wohngebäudes in seinem abgeschlossenen Auto vergessen. Es kam zu einem Einbruch in die Tiefgarage und das Auto wurde aufgebrochen und der Schlüssel entwendet.
Die Vermieterin verlangte nunmehr für die Auswechslung der gesamten Schließanlage des Hauses ca. 4000,00 € vom Mieter. Der Vermieter warf dem Mieter vor, er habe fahrlässig gehandelt, als er den Schlüssel in seinem Kfz habe liegen lassen. Der Mieter hielt dagegen, dass er seine Obhutspflichten nicht verletzt habe, soweit der Zweitschlüssel zur Wohnung nach der Urlaubsrückkehr im PKW vergessen wurde, der zudem noch abgeschlossen war.
Das Amtsgericht bestätigte diese Rechtsauffassung und wies die Klage auf Schadenersatz ab. Gemäß Ausführungen des Amtsgerichts Dresden gehört es zur Obhutspflicht des Mieters, die Schlüssel zur Mietsache sorgsam aufzubewahren und darauf zu achten, dass sie nicht in Verlust geraten. Jedoch wurde der Schlüssel aus dem Handschuhfach des verschlossenen Pkw in einer abgeschlossenen Tiefgarage des Mietobjekts entwendet, weshalb ein Verstoß gegen die mietvertragliche Obhutspflicht nicht vorliegen könne. Aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ergab sich, dass der PKW des Mieters aufgebrochen wurde, indem die Seitenscheibe der Fahrertür eingeschlagen wurde und anschließend wurde der gesamte Innenraum des Fahrzeugs durchsucht. Ein solcher Einbruchdiebstahl in ein abgeschlossenes Fahrzeug, was zudem noch in einem abgeschlossenen Objekt abgestellt wurde, kann dem Mieter nicht angelastet werden (Amtsgericht Dresden, AZ 140 C 3306/19.
Darauf hinzuweisen ist jedoch, dass immer im Einzelfall genau geprüft werden muss, ob ein Schlüsselverlust auf einer Obhutspflichtverletzung beruht oder ob konkrete Umstände vorliegen, die dem entgegenstehen.
Verkehrsrecht
Durch Urteil vom 20.07.2021, Az. VI ZR 533/20, entschied der Bundesgerichtshof, dass eine sogenannte Wechselprämie nicht zu Gunsten eines Fahrzeugherstellers vom Schadensersatzanspruch eines Käufers, nach Kauf eines sogenannten Dieselskandal-Fahrzeugs, in Abzug gebracht werden kann. Denn nach Auffassung des Bundesgerichtshofes erhielt der betroffene Fahrzeugkäufer die Wechselprämie nur aufgrund seiner Entscheidung, das Auto und die Automarke zu wechseln. Insoweit hatte sie nichts mit dem Substanzwert oder dem Nutzungswert des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs zu tun und insoweit steht diese Prämie nicht dem Fahrzeughersteller zu.
Im Einzelnen:
Der Kläger hatte 2014 einen gebrauchten VW Passat erworben. Dieser war mit einem Dieselmotor ausgestattet, welcher eine Steuerungssoftware enthielt und erkannte, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand oder im normalen Straßenverkehr befindet. Die Software führte dann zu einer erhöhten Abgasrückführung, so dass auf dem Prüfstand die entsprechenden Abgaswerte eingehalten wurden. Noch während des Rechtsstreits erwarb dann der Käufer des Fahrzeuges ein anderes Fahrzeug einer anderen Marke und erhielt von dem dortigen Hersteller eine sogenannte "Wechselprämie". Strittig war insoweit, ob der Fahrzeugkäufer sich diese Wechselprämie anrechnen lassen müsse im Hinblick auf seinen Schadensersatzanspruch. Dies hat der Bundesgerichtshof nunmehr entschieden und wie vorstehend verneint (BGH, Urteil vom 20.07.2021-VI ZR 533/20 sowie Pressemitteilung Nr. 137/2021 des Bundesgerichtshofes).
Weiterlesen … BGH urteilt zur Frage des Abzugs einer sogenannten Wechselprämie
Mietrecht
Gemäß einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 09.12.2020 - VIII ZR 118/19) hat der Mieter gegenüber dem über die Betriebskosten abrechnenden Vermieter einen Anspruch auf vollständige Belegeinsicht, was auch die Zahlungsbelege betrifft.
Zu den Abrechnungsunterlagen, auf die sich das Einsichtsrecht bezieht, gehören neben den Rechnungen auch die dazugehörigen jeweiligen Zahlungsbelege über die in der Abrechnung auf den Mieter umgelegten Betriebskosten, so der BGH. Nur mithilfe dieser Belege wird der Mieter in die Lage versetzt, die Berechtigung der jeweils in Rechnung gestellten Beträge zu überprüfen. Es bedarf auch keiner weiteren Darlegungen des Mieters im Hinblick auf dieses Recht zur Einsichtnahme.
Der Vermieter kann sich nicht auf Datenschutz und ähnliches berufen. Dies gilt alles unabhängig davon, ob der Vermieter nach dem Abflussprinzip oder nach dem Leistungsprinzip abrechnet oder bei unterschiedlichen Betriebskostenarten teils die eine oder andere Abrechnungsmethode verwendet. Es ist, so der BGH, Ausfluss des sogenannten allgemeinen Kontrollinteresses des Mieters, nachprüfen zu können, ob der Vermieter die in die Abrechnung eingestellten Leistungen Dritter wie beispielsweise Versorgungsunternehmen tatsächlich auch vollständig bezahlt hat. Diese Entscheidung wird die Vermieter insbesondere größerer Objekte und Mehrhausanlagen vor erhebliche Probleme stellen, da das Einsichtnahmerecht eine noch weitergehende Aufschlüsselung einzelner Positionen erforderlich machen wird.
Weiterlesen … Betriebskostenabrechnung - Anspruch auf Einsicht in Zahlungsbelege
Familienrecht
Gemäß Beschluss vom 28.10.2020 des Bundesgerichtshofes ist der Kinderzuschlag nach § 6 a BKGG unterhaltsrechtlich in voller Höhe als Einkommen des Kindes zu behandeln. Eine Aufteilung in einen Barunterhaltsteil sowie in einen Betreuungsunterhaltsteil findet demnach nicht statt. Anspruch auf Kinderzuschlag haben Familien, deren Kind in ihrem Haushalt lebt und unter 25 Jahre alt ist und der betreuende Elternteil das Kindergeld erhält. Dabei muss das Bruttoeinkommen der Familie mindestens 900 € betragen. Der Kinderzuschlag wird dann für jedes Kind einzelnen entsprechend berechnet (AZ.: XII ZB 512/19).
Im Rahmen der Bemessung des Selbstbehalts des Kindesunterhaltspflichtigen sind die von diesem für seinen Familienverband getragenen Wohnkosten anteilig zu berücksichtigen.
Weiterlesen … Kinderzuschlag ist unterhaltsrechtlich Einkommen
Arbeitsrecht
Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses, beispielsweise durch Kündigung oder aufgrund anderer Beendigungstatbestände, benötigt der Arbeitnehmer grundsätzlich zur Geltendmachung von Arbeitslosengeld I eine sogenannte Arbeitsbescheinigung vom Arbeitgeber. Diesbezüglich kommt es immer wieder zum Streit über die Rechte und Pflichten seitens des Arbeitgebers auch im Hinblick auf den Inhalt dieser Bescheinigung.
Der Arbeitgeber ist in rechtlicher Hinsicht sowohl gegenüber der Agentur für Arbeit als auch gegenüber dem Arbeitnehmer verpflichtet, die Arbeitsbescheinigung gemäß dem Formblatt auszustellen, gegebenenfalls auch in elektronischer Form gemäß § 313 a SGB III. Der Arbeitnehmer muss lediglich einen entsprechenden Antrag stellen.
Die Arbeitsbescheinigung enthält dann die Angaben über die Art der Tätigkeit, Beginn, Ende und Lösungsgrund des Arbeitsverhältnisses sowie die gezahlte Arbeitsvergütung und die sonstigen Bezüge. Sofern dann die Arbeitsbescheinigung fehlerhafte oder gar wahrheitswidrige Angaben enthält, so kann der Arbeitgeber sogar mit Bußgeldern belegt werden seitens der Behörde und sich schadenersatzpflichtig machen gegenüber der Agentur für Arbeit bzw. auch gegenüber dem Arbeitnehmer selbst. Rechtsstreitigkeiten zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber werden vor dem Arbeitsgericht dann geführt, jedoch sind Klagen auf Berichtigung von Arbeitsbescheinigungen vor den Sozialgerichten zu erheben.
Weiterlesen … Zum Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Arbeitsbescheinigung
Mietrecht
Gemäß einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 08.07.2020, Az. VIII ZR 270/18) muss der Vermieter bei einer unwirksamen Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag die Schönheitsreparaturen selbst durchführen, wenn der Mieter dies von ihm während des Mietverhältnisses verlangt.
Damit schreibt der Bundesgerichtshof seine aktuelle Rechtsprechung fort, wonach bei unwirksamen Schönheitsreparaturklauseln der Mieter die Schönheitsreparaturen selbst nicht durchführen muss. Es stellte sich in der Rechtsanwendung dann die Frage, ob der Mieter in einem solchen Fall vom Vermieter während des laufenden Mietverhältnisses die Durchführung der Schönheitsreparaturen verlangen darf. Dies wurde nunmehr in der Entscheidung des BGH so bestätigt. Der Vermieter muss gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB dem Mieter die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und sie während der Mietzeit auch in diesem Zustand weiter erhalten. Hierzu gehört es, dass eine nach der Überlassung eingetretene Verschlechterung der Mietsache zu beseitigen ist und der zum vertragsgemäßen Gebrauch geeignete Zustand wiederherzustellen ist. An die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel tritt dann die entsprechende gesetzliche Bestimmung, wonach der Vermieter die Instandhaltungslast im Hinblick auf das Mietobjekt hat. Eine ergänzende Vertragsauslegung wurde seitens des Bundesgerichtshofs abgelehnt, mithin die Frage verneint, dass keine der beiden Parteien im Fall der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die Kosten zu tragen habe.
Grundsätzlich sei der Zustand wie bei Wohnungsübergabe geschuldet. Dass der Vermieter jedoch bei Durchführung der Schönheitsreparaturen einen besseren Zustand durch die Neurenovierung schafft, als der Mieter bei Anmietung der Wohnung hatte, da die Wohnung im unrenovierten Zustand angemietet wurde, ist unerheblich und der Vermieter muss diese Situation akzeptieren. Jedoch kann der Mieter durch eine Kostenbeteiligung an den Renovierungskosten mit in Anspruch genommen werden. Der Bundesgerichtshof hält in der Regel ein hälftige Kostenbeteiligung in diesem Falle für angebracht, da der Mieter einen besseren Zustand erhält als bei Anmietung der Wohnung aufgrund des dort unrenovierten Zustands.
Nunmehr bleibt abzuwarten, wie sich diese Entscheidung in der Praxis auswirken wird. Es kann diesseits nur vermutet werden, dass der Mieter eher nicht die Durchführung von Schönheitsreparaturen vom Vermieter einfordern wird, da aufgrund der hälftigen Kostenbeteiligung die Durchführung der Schönheitsreparaturen in Eigenleistung deutlich günstiger sein wird. Wir halten Sie von der Fortentwicklung informiert.
Verkehrsrecht
In einer Entscheidung des Amtsgerichts Trier vom 27.11.2020 gab das Amtsgericht dem Beschwerdeführer recht, welcher Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid eingelegt hatte. Hintergrund war, dass er mit einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 53 km/h gemessen wurde und der Bußgeldbescheid dann an die Adresse seiner Mutter übersandt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wohnte jedoch der Beschwerdeführer gar nicht mehr da, sondern war auf einer anderen Anschrift gemeldet. Das Foto des Bußgeldbescheides wurde ihm dann von seiner Mutter per WhatsApp übersandt. Hierauf meldete er sich bei der Bußgeldbehörde und teilte mit, dass er möglicherweise gar nicht der Fahrer sei. Er bat um die Übersendung von Meßfotos. Die Bußgeldbehörde erinnerte ihn dann im Folgenden an die Rechtskraft des Bußgeldbescheides und forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins auf. Hiergegen legte er über seinen Rechtsbeistand dann Einspruch ein mit der Begründung, der Bescheid konnte nicht in Rechtskraft erwachsen, da der ursprüngliche Bußgeldbescheid gar nicht ordnungsgemäß zugestellt worden war.
Das Amtsgericht gab ihm recht. Gemäß § 189 ZPO gilt der Bescheid bei Zustellungsmängeln in dem Zeitpunkt als zugestellt, in dem der Bußgeldbescheid dem Betroffenen tatsächlich zugegangen ist. Dabei muss der Zugangsadressat das zuzustellende Dokument tatsächlich erhalten haben und damit Kenntnis vom Inhalt nehmen können. Die bloße Unterrichtung über den Inhalt des Schriftstücks durch Übermittlung eines Fotos per WhatsApp genügt diesen Anforderungen nicht (AG Trier vom 27.11.2020, Az. 35 A OWi 52/20).
Verkehrsrecht
VW hat sittenwidrig getäuscht
Mit Urteil vom 25.05.2020 unter dem Aktenzeichen VI ZR 252/19 hat der BGH nach 5 Jahren entschieden, dass VW sittenwidrig getäuscht hat. Im vorliegenden Fall klagte ein Verbraucher auf Rückabwicklung als Schadensersatz, dass VW sein Fahrzeug gegen Kaufpreisrückzahlung abzüglich der gefahrenen Kilometer zurücknehmen muss.
Damit ist nun höchstrichterlich geklärt, dass die Abschalteinrichtung gem. § 826 BGB sittenwidrig ist.
Weiterlesen … BGH stärkt Rechte der Verbraucher im Dieselskandal
Mietrecht
Das Landgericht Berlin hatte in einem Beschluss vom 13.09.2018 entschieden, dass auch eine unpünktliche Zahlung der monatlichen Miete und eine zuvor gefälschte Sterbeurkunde kein Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung im Einzelfall sein müssen.
Gemäß § 543 Abs. 1 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis fristlos kündigen, wenn ihm unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Verschuldens der anderen Partei, unter Abwägung der beiderseitigen Interessen ein Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzung kann gegeben sein, wenn der Mieter die vereinbarte Miete trotz Abmahnung nicht pünktlich zahlt. Kündigungsgrund kann auch sein, wenn der Mieter den Vermieter eine gefälschte Sterbeurkunde übergibt. Es ist im Hinblick auf den zur außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund eine Abwägung vorzunehmen.
Denn insbesondere bei langandauernden Mietverhältnissen rechtfertigt eine fristlose Kündigung nicht, dass der Mieter unpünktlich Mietzins zahlt. Soweit sich der Mieter darauf beruft, Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschaffen zu können, muss das Amtsgericht dabei auch erwägen, ob dem Mieter eine sogenannte Beweiserleichterung zugutekommt. Insbesondere wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen nicht möglich sei, wäre der Mieter besonders schutzwürdig und eine Abwägung führt zugunsten des Mieters dazu, dass ein zur fristlosen Kündigung berechtigender Grund nicht vorliegt (LG Berlin, Beschluss vom 13.09.2018, 67 T 137/18).
Die Entscheidung zeigt, dass immer anhand des konkreten Einzelfalles die Möglichkeiten in rechtlicher Hinsicht geprüft werden müssen und auch eine für sich genommen „klare Sachlage“ nicht immer zu dem erwarteten Ergebnis führen kann.
Weiterlesen … Keine fristlose Kündigung trotz unpünktlicher Mietzahlung und Urkundenfälschung
Familienrecht
Die sogenannte Düsseldorfer Tabelle, welche seit 1979 von den Richtern des Oberlandesgerichts Düsseldorf herausgegeben wird, beruht auf Koordinierungsgesprächen sämtlicher Oberlandesgerichte und der Unterhaltskommission des Familiengerichtstages e.V. Die Düsseldorfer Tabelle ist eine Richtlinie und Hilfsmittel für die Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne des § 1610 BGB. Sämtliche Oberlandesgerichte der Bundesrepublik Deutschland verwenden diese Düsseldorfer Tabelle als Richtlinie zur Entscheidungsfindung. Einheitlich werden die einzelnen Bedarfssätze zugrunde gelegt und der Selbstbehalt soll nicht differenzieren zwischen den einzelnen Bundesländern.
Die Düsseldorfer Tabelle, welche vom Oberlandesgericht Düsseldorf regelmäßig herausgegeben wird, wurde zum 01.01.2020 geändert. Im Wesentlichen betreffen die Änderungen die Bedarfssätze minderjähriger und volljähriger Kinder sowie den sogenannten Studierendenbedarf, soweit der Studierende nicht mehr bei seinen Eltern oder einem der Elternteile wohnt. Ferner wurden die sogenannten Selbstbehalte angepasst. Von diesen Änderungen wollen wir in der kommenden Ausgabe unserer Mandantenzeitung Durchblick berichten.
Weiterlesen … Ab dem 01.01.2020 gilt die neue Düsseldorfer Tabelle
Arbeitsrecht
Gemäß einer aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 22.10.2019, 3 AZR 429/18) wurde festgehalten, dass die Betriebsparteien bei Eingriffen in Versorgungsrechte immer an die Grundsätze des Vertrauensschutzes so wie an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden seien. Dem Arbeitnehmer war in dem zu Grunde liegenden Fall seitens seines ursprünglichen Arbeitgebers eine betriebliche Altersversorgung nach einer Betriebsvereinbarung zugesagt worden. Es kam dann später zu einer Verschmelzung des vormaligen Arbeitgebers mit einer Erwerberin des Betriebes. Zu diesem Zeitpunkt gab es dann bereits zwei beschlossene Ruhegeldordnungen sowie ein noch nicht geschlossenes Versorgungswerk in Form von Gesamtbetriebsvereinbarungen. Später schloss die Erwerberin des Betriebes mit den zuständigen Gewerkschaften einen Tarifvertrag, welcher dann die Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung für ehemalige Mitarbeiter der ursprünglichen Arbeitgeberin enthielt. Demnach sollten die Arbeitnehmer in den Ruhegeldordnungen einbezogen werden, als hätten sie die gesamte Betriebszugehörigkeit bereits beim Erwerber verbracht. Der Arbeitnehmer begehrte dann ein erhöhtes Altersruhegeld, da nach seiner Auffassung der von der Erwerberin gezahlte Betrag zu gering gewesen ist sowie auch falsch berechnet. Die Klage hatte vor dem Bundesarbeitsgericht Erfolg und führte zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Auf Grundlage des Vertrauensschutzes und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die Erwerberin gehalten, die Berechnung anhand des später geltenden Tarifvertrages vorzunehmen.
Verkehrsrecht
Trägt der Auffahrende immer die Schuld, selbst wenn der Vordermann ohne Grund bremst?
Es ist ein Klassiker unter den Verkehrsrechtsmythen: Wer auf das vorausfahrende Fahrzeug auffährt, hat Schuld. Eine Vermutung, die zunächst einleuchtend klingt. Schließlich muss der hinten Fahrende auf den Verkehr achten und entsprechend reagieren, wenn der Vordermann oder die Vorderfrau auf die Bremse tritt. Tatsächlich ist es so, dass bei Auffahrunfällen die Schuld wesentlich häufiger beim Fahrer des auffahrenden Fahrzeugs liegt als beim „Getroffenen“ – zum Beispiel, weil der Fahrer den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand nicht einhält oder auf ein abbiegendes Fahrzeug auffährt, weil er nicht auf die Straße geachtet hat.
Der sogenannte Anscheinsbeweis spricht bei solchen Kollisionen dafür, dass der Auffahrende sich verkehrswidrig verhalten hat, Das heißt aber nur, dass zunächst von einer Schuld des Auffahrenden auszugehen ist.
Diese Vermutung kann sich bei der Untersuchung des Unfalls durch ein Gericht aber als falsch herausstellen. Die Schuld an einem Unfall trägt derjenige, der gegen die Verkehrsregeln verstoßen und den Unfall verursacht hat. Das kann durchaus auch der Vorausfahrende sein – zum Beispiel, wenn er völlig unvermittelt eine Vollbremsung macht und dadurch den Unfall auslöst.
Ein solches gefährliches Bremsmanöver muss gut begründet sein. Wer beispielsweise für kleinere Tiere in die Eisen steigt, kann damit rechnen, bei einem daraus resultierenden Unfall die Schuld ganz oder teilweise zugesprochen zu bekommen.
Häufig stellt sich bei der Untersuchung eines Unfalls auch heraus, dass beide Verkehrsteilnehmer Fehler gemacht haben. Etwa, wenn der Vorausfahrende unverhältnismäßig stark gebremst hat und der Hintermann gleichzeitig zu schnell unterwegs war.
Das Gericht kann in einem solchen Fall die Haftungsquote auf die beiden Beteiligten aufteilen, woraufhin ein Fahrer dann beispielsweise 60 Prozent des Schadens trägt und der andere 40. Gelegentlich wird die Haftung bei einer Kollision auch geteilt, wenn sich die Schuld nicht eindeutig ermitteln lässt, zum Beispiel bei einem Unfall nach einem Fahrbahnwechsel oder bei einer Massenkarambolage.
Es bleibt festzuhalten: Die Annahme, dass der Auffahrende bei einem Unfall immer die Schuld trägt, ist falsch. Wie so oft im Recht kommt es ganz auf den Einzelfall an.
Mietrecht
Immer wieder erleben wir in der Praxis die Situation, dass Mieter bei Streitigkeiten mit ihrem Vermieter noch nicht einmal den vollständigen Namen des Vermieters kennen oder gar eine ladungsfähige Anschrift. Erstmals bei Streitigkeiten wird dann festgestellt, dass im Mietvertrag keinerlei hinreichende Angaben hierzu sind. Da die Partei des Mietverhältnisses stets der Mieter auf der einen Seite und der Eigentümer/Vermieter auf der anderen Seite ist, ist die oftmals im Mietvertrag stehende Anschrift der Hausverwaltung nicht zielführend. Insoweit muss dann erst teilweise in zeitaufwendiger Ermittlung die ladungsfähige Anschrift des Vermieters oder gar der Name herausgefunden werden.
Das Landgericht Dortmund hat durch Beschluss vom 18.03.2019 (Az. 1 S 9/19) die Rechte des Mieters gestärkt. Soweit mögliche gerichtliche Auseinandersetzungen zu erwarten sind, so besteht ein berechtigtes Interesse des Mieters an der Auskunft des vollständigen Namens und der Anschrift des Vermieters gegenüber der Hausverwaltung. Dies bedeutet, dass der Wohnungsmieter sich an die Hausverwaltung wenden kann und den Anspruch auf vollständige Auskunft über Anschrift und Namen des Vermieters verlangen kann. Soweit dann die Hausverwaltung die Herausgabe dieser Informationen unter Gesichtspunkten des Datenschutzes oder von Geheimhaltungsinteressen verweigert, so wurde dieser Auffassung seitens des Landgerichtes ebenfalls eine klare Absage erteilt. Denn die Mieter haben ein berechtigtes und schutzwürdiges Interesse an der Benennung des Namens und der Anschriften des Vermieters und diese Informationen werden auch benötigt, um Ansprüche geltend machen zu können. Nach Auffassung des Gerichts sind dabei die Mieter regelmäßig auch nicht gehalten, diese Informationen über andere Quellen durch Einsichtnahme in das Grundbuch oder Einholung von Auskünften über das Einwohnermeldeamt selbst einzuholen. Datenschutzvorschriften stehen ebenfalls nicht entgegen, da es bereits fraglich sei, ob der Vermieter überhaupt ein Interesse gegenüber seinem Vertragspartner an Geheimhaltung haben könne.
Damit wurde der Weg für den Mieter freigemacht, die oft mühsamen Wege abkürzen zu können und direkt gegenüber der jeweiligen Hausverwaltung (welche in den meisten Fällen sämtliche Korrespondenz mit dem Mieter führt ) zu wählen, um die Informationen beschaffen zu können.
Familienrecht
In einer aktuellen Entscheidung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 31.10. 2018 - 7 UF 617/18) wurde eine Ehefrau zur Rückzahlung von unberechtigt abgehobenen Geldbeträgen vom Konto des Ehemannes an den Ehegatten verpflichtet. Der Ehemann verlangte von der Ehefrau, welche zu diesem Zeitpunkt bereits geschieden war, die Rückzahlung eines Betrages über 83.000 €, welche die Ehefrau von einem Konto des Antragstellers abgebucht hatte. Die beteiligten Ehegatten hatten im Jahr 2000 die Ehe miteinander geschlossen. Ab 2002 lebten sie getrennt. Der Ehemann war alleiniger Inhaber eines Kontos. Zu diesem Konto hatte der Ehemann der Ehefrau vor der Trennung eine Kontovollmacht erteilt. Nach der Trennung erteilte die Ehefrau der Bank den Auftrag, einen Betrag i.H.v. 83.000 € von diesem Konto auf ein Konto bei ihrer Mutter zu überweisen. Als Verwendungszweck gab sie an: „Privatschulden“.
Der Ehemann verlangte nunmehr diesen Betrag zurückerstattet. Sowohl das Amtsgericht als auch dann das Rechtsmittelgericht gaben dem Ehemann Recht. Der Ehemann konnte von der Ehefrau aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB die Rückzahlung der 83.000 € verlangen. Nach § 823 Abs. 2 BGB ist derjenige, welcher gegen ein Gesetz verstößt, das den Schutz eines anderen bezweckt, verpflichtet, diesem den aus dem Verstoß entstandenen Schaden zu ersetzen. Ein Schutzgesetz in dem genannten Sinn stellt auch § 266 StGB (Untreue) dar. Danach macht sich strafbar, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Die Ehefrau hatte schuldhaft gegen § 266 Abs. 1 StGB verstoßen. Der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach entschieden, dass ein Ehegatte, der nach erfolgter Trennung eine ihm vor der Trennung von dem anderen Ehegatten erteilte Kontovollmacht nutzt, um gegen den erkennbaren Willen des Vollmachtgebers Verfügungen über ein alleine dem Vollmachtgeber zustehendes Bankkonto vorzunehmen, den dem anderen Ehegatten dadurch entstehenden Vermögensschaden zu ersetzen hat. Dem liegt zugrunde, dass die in der Ehe erteilte Vollmacht im Regelfall, wie vom Ehemann unstreitig dargelegt, der Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft dienen soll und in dem Zusammenleben der Ehegatten ihre Grundlage hat. Findet die Lebensgemeinschaft durch die Trennung der Ehepartner ein Ende, so liegt darin ein Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der Ehegatte, der den anderen während des Zusammenlebens aus besonderem Vertrauen die Verfügungsbefugnis eingeräumt hat, muss davor geschützt werden, dass der andere die Befugnis nach der Trennung in eigensüchtiger oder sonst missbräuchlicher Weise ausnutzt. Wenn ein Ehegatte noch nach der Trennung gegen den erkennbaren Willen des anderen von dessen Konto oder Ausnutzung einer noch nicht wirksam widerrufenen Vollmacht Beträge abhebt, um sie seinem eigenen Vermögen oder dem Vermögen eines Dritten zuzuführen, so kommt eine Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung und daneben eine Herausgabepflicht wegen angemaßter Geschäftsführung in Betracht (BGH in FamRZ 1989,34, BGH in FamRZ 1988,476). Insoweit hat die Ehefrau den unberechtigt abgehobenen Betrag dem Ehemann vollständig zu erstatten.
Weiterlesen … Rückzahlung von abgehobenen Geldbeträgen vom gemeinsamen Konto nach der Trennung
Arbeitsrecht
Eine Entscheidung, die nur aus dem Rheinland stammen kann, hat nun das Arbeitsgericht Köln getroffen und eine kleine, aber feine Unterscheidung zwischen den Karnevalstagen und der Karnevalszeit hervorgehoben.
Anlass des Urteils vom 11.01.2019, Az. 19 Ca 3743/18 war der Rechtsstreit einer Kölner Kellnerin über ein Arbeitszeugnis.
In diesem sollte niedergelegt sein, dass sie auch während der Karnevalszeit tätig gewesen war.
Das Arbeitsgericht, das richtigerweise hervorhob, dass Arbeitszeugnisse wohlwollend und dem beruflichen Fortkommen förderlich zu sein haben, sah eine Tätigkeit in der Karnevalszeit als erhebliche Tatsache an, die auch für das Arbeitsverhältnis und die Leistung der Arbeitnehmerin prägend gewesen sei, immerhin seien die Herausforderungen an eine Kellnerin in Köln während des Karnevals andere als an gewöhnlichen Tagen.
Dem widersprach jedoch der Arbeitgeber: die Arbeitnehmerin habe ja gar nicht in der Karnevalszeit gearbeitet, sondern am Freitag und Samstag nach Weiberfastnacht.
Hier sei dann, so das in Sachen Karneval offenbar gut informierte Gericht, zu differenzieren zwischen der Karnevalszeit und den Karnevalstagen. Letztere seien lediglich die Weiberfastnacht, der Rosenmontag und der Aschermittwoch.
Karnevalszeit dagegen sei die gesamte Hochzeit, in der Karneval gefeiert werde, demnach die Zeit von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch.
Das Urteil, das die meisten Kölner mit Zustimmung und der Rest Deutschlands überhaupt nicht zur Kenntnis genommen haben dürften, illustriert anschaulich, wie Rechtsstreite über Arbeitszeugnisse hierzulande geführt werden und stellt so einen weiteren der vielen Tausend Rechtsprechungsbausteine darüber dar, welche Ansprüche Arbeitnehmer im Rahmen von Arbeitszeugnissen besitzen.
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